Einkaufssteuerung und Einkaufscontrolling mit WebCIS-AI

Potentiale zur Analyse und Effizienzsteigerung von KI-Werkzeugen

Jeder Bereich des privaten und öffentlichen Lebens wird derzeit auf seine KI-Tauglichkeit untersucht. Wen wundert es, dass „künstliche Intelligenz“ als umfassender Heilsbringer angepriesen wird. Befeuert durch die beeindruckenden Möglichkeiten von Large Language Models (LLM) wie ChatGPT, begegnen einem je nach Gesprächspartner eine Mischung aus diffuser Angst und absurder Erwartungshaltung. Werner Güntner, Geschäftsführer der SoftconCIS GmbH und der Experte für Einkaufscontrolling, hat sich aus Sicht des Einkaufscontrollings mit dem Thema beschäftigt und gibt Antworten.

Beschaffung aktuell: Welche Erwartung zur Unterstützung der strategischen Einkaufssteuerung ist angebracht?

Werner Güntner: Vieles von dem, was derzeit als KI bezeichnet wird, basiert tatsächlich auf regelbasierter Programmierung, bei der Daten durch Softwareregeln verarbeitet werden, um Ergebnisse zu erzielen. Künstliche Intelligenz hingegen kommt zum Einsatz, wenn bisher keine klaren Regeln bekannt sind. Trotz der Vielzahl an verfügbaren Daten bleibt oft unklar, wie der Dateninput mit dem Ergebnis zusammenhängt. Die hinter KI-Modellen besteht darin, bekannte Ergebnisse so lange aus einem Dateninput zu simulieren, bis das trainierte Modell in der Lage ist, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel generiert ein Sprachmodell wie ein LLM seine Antworten basierend auf den eingespeisten Massedaten. Was sich zunächst unglaublich gut liest, beruht letztendlich auf statistischen Zusammenhängen, die mit bestimmten Schlagwörtern verknüpft sind.

Ergeben sich durch KI neue Potentiale zur Verbesserung der Einkaufssteuerung?

In Fällen, in denen themenbezogene Massendaten verfügbar sind, die das Training eines Modells ermöglichen, kann der Einsatz von KI für das Einkaufscontrolling und die Einkaufssteuerung eine erhebliche Zeitersparnis bringen.

Welche Einkaufsthemen sind vorstellbar?

Der Einsatz eines KI-Modells ist besonders geeignet für die maschinelle Überprüfung und Verbesserung der Warengruppenzuordnung, da die manuelle Kategorisierung meist unzureichend ist. Zunächst ist es jedoch notwendig, das KI-Modell anhand eines Trainingsmodells mit möglichst genauen Warengruppenzuordnungen zu trainieren, das auf geeigneten Materialstammdaten basiert. Je präziser und somit aussagekräftiger dieses Lernmodell ist, desto erfolgreicher wird die KI bei der Überprüfung und bei künftigen automatischen Zuordnungsempfehlungen sein. Unsere Untersuchungen in den WebCIS-Modulen haben gezeigt, dass automatische Zuordnungen und Korrekturempfehlungen mit einem Qualitätsscore von über 75% möglich sind.

Wie können KI-basierte Preisbenchmarks und Nachverhandlungsempfehlungen dazu beitragen, das Nachverhandlungspotenzial bei Warengruppen und Lieferanten zu identifizieren?

Durch die Verbesserung der Qualität können homogenere Cluster gebildet werden, was zu präziseren Preisbenchmarks sowohl innerhalb der Warengruppen als auch im Vergleich zu externen Preisindizes führt. Die klassische Frage eines Einkaufsleiters „In welchen Warengruppen und bei welchen Lieferanten besteht Nachverhandlungspotential?“, kann nun maschinell überprüft werden.

Wie unterstützen Ähnlichkeitsanalysen den Einkauf?

Ähnlichkeitsanalysen helfen dabei, technisch vergleichbare Teile zu identifizieren. Das Ziel ist, überflüssige Vielfalt zu reduzieren und unbegründete Preisunterschiede aufzuzeigen. Mithilfe von KI werden sogenannte Similarityscores aus den technischen Merkmalen der Materialbeschreibungen erstellt. Diese Werte zeigen, wie ähnlich sich Materialien sind und liefern hilfreiche und aussagekräftige Handlungsideen für Entscheidungen im Einkauf.

Wie kann KI bei Preisforderungen von Lieferanten helfen?

So alt wie der Einkauf selbst ist die Frage, inwieweit Preise und Preisveränderungsforderungen von Lieferanten marktgerecht sind. Cost-Break-Down gilt als gängige Vorgehensweise zur Preisbewertung. Er wird auch Kostenstrukturanalyse genannt und ist eine detaillierte Aufschlüsselung der Kostenbestandteile eines Produkts oder einer Dienstleistung. Doch könnten nicht auch KI-gestützte Musteranalysen hilfreich sein? Preisbestandteile sind Features eines Produktes, die mit unterschiedlicher Gewichtung einen Gesamtpreis ausmachen.

Aber wie genau trägt jedes Feature zum Preis bei? KI-Modelle simulieren die Merkmale, die den Preis beeinflussen, bis mathematische Muster erkennbar werden. Diese multivariaten Regressionen basieren eher auf statistischen Zusammenhängen als auf technischen Wirkungsweisen und bieten den Vorteil, dass sie automatisch und schnell Erkenntnisse liefern. Allerdings sind sie, wie alle KI-Anwendungen, von der Qualität des zugrundeliegenden Lernmodells abhängig.

Welche weiteren Einsatzmöglichkeiten in der Lieferkette sehen Sie noch?

Was bei Banken und Versicherungen längst zum Alltag gehört – nämlich die Kreditwürdigkeit und Risikoeinschätzung von Darlehensnehmern mit Hilfe von KI-Modellen einzuordnen –, sollte auch im Einkauf als zusätzliche Vorgehensweise in Betracht gezogen werden. Ein Einkauf verfügt über ausreichende Features – Kriterien der Lieferantenbewertung, externe Scores, Auditergebnisse, Länderscores, Warengruppenbenchmarks, Preisindices, Sourcing-Informationen usw. –, um ein Lernmodel zu versorgen, das Warnhinweise zur Lieferkette aufzeigt. Ergänzend zu einer analytischen Risikobewertung mit gewichteten Einflussgrößen, können so drohende Probleme in der Lieferkette frühzeitig erkannt werden.

Was sagen Sie zum Einsatz von WebCIS/LLM bzw. Chatbot-Prompting für optimale Argumentationsvorschläge?

Ein so umfangreiches Informationssystem wie WebCIS AI bietet vielseitige Funktionen für Auswertungen, Berichte und Dashboards, die speziell auf die Bedürfnisse des Einkaufs zugeschnitten sind. Mit den strukturierten Dashboards, individuell anpassbaren Favoriten und spontan erstellbaren Berichten (on-the-fly Reports) lassen sich nahezu alle Fragen im Einkaufsbereich beantworten. Die Königsfrage ist jedoch, welches Feature für eine spezifische Fragestellung am besten geeignet sind. Die Integration eines Large Language Models (LLM) in die WebCIS-Oberfläche ermöglicht es, durch gezieltes Prompting passende Vorschläge zu erhalten. Eine erweiterte Form der Analyse kann auch Filter an die entsprechenden Funktionen weitergeben. Der Vorteil für den User liegt in der höheren Informationsvielfalt und -tiefe bei gleichzeitiger Vereinfachung der Bedienung, da Fließtexte intelligent aufbereitet werden.

erschienen in der Beschaffung aktuell » 05 | 2024 Seite 32/33